Sarah: „Ich habe mir die Sachen durchgelesen, die so über Windelfrei im Netz zu finden sind. Dabei wurde in den Vordergrund gehoben, dass es im Gehirn des Kindes registriert wird, dass die Blase voll ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Blase kontrolliert werden kann. … Zumal durfte ich einiges über Kinder in meiner Ausbildung, Weiterbildung etc. lernen, so dass ich weiß, dass ein Kind in dem Alter noch gar nicht seine Blase und Co kontrollieren kann.“ *
Blasenkontrolle bei Babys – die gängige Meinung
In unseren „westlichen“ Ländern glauben wir und bekommen es auch gelehrt, dass die Blasenkontrolle bei Babys gar nicht vorhanden ist. Erst bei Kleinkindern ab einem Alter von 24 Monaten entsteht die Möglichkeit der Blasenkontrolle.
Etwas spezifischer wird davon ausgegangen, dass Kinder erst dann „trocken“ sein können, das heißt ihre Schließmuskeln kontrollieren und Geschäfte rechtzeitig ansagen können, sobald sie freihändig in der Mitte der Treppe gehen können. Vorher? Keine Chance!
Aber was ist mit den windelfrei aufwachsenden Kindern, deren Eltern behaupten, dass sie bereits mit 14 oder 20 Monaten zuverlässig Bescheid sagen würden, wenn sie mal müssen? Auf diese Frage gibt es standardmäßig drei Antwortalternativen:
- Das ist ja nur konditioniert! Das Kind hat gelernt, dass es sich erleichtern muss, sobald sie/er den Topf sieht oder spürt, oder sobald sie/er den oft verwendeten Signallaut hört.
- Diese Eltern überwachen ihre Kinder jede Sekunde (und setzten sie dann gerade noch rechtzeitig im letzten Moment aufs Töpfchen).
- Du hast dein Kind darauf trainiert!
Meistens bekomme ich eine Kombination aus diesen Antworten und beim näheren Nachfragen wird schnell deutlich, dass der Person weder klar ist, was „Konditionierung“ bedeutet, wie sie genau vonstatten geht, noch was „Training“ aus lernpsychologischer Sicht genau bedeutet. Oder auch andersherum: Die meisten wissen gar nicht, was Windelfrei genau ist.
Deshalb finde ich es auch gut nachvollziehbar, wenn solche Antworten gegeben werden. Die Schwierigkeit daran finde ich daher anderswo: In der schnellen Vorverurteilung einer Art (mit Babys) zu leben, ohne genau hingesehen zu haben.
Die Vorurteile zur Blasenkontrolle bei Babys aus Sicht von Windelfrei-Eltern
Alle Windelfrei-Eltern lachen bei diesen Antworten wahrscheinlich hell auf!
Ad 1) Kein Baby macht ein Geschäft, nur weil es über ein Töpfchen gehalten (und ein Geräusch dazu gemacht) wird. Wäre ja zu einfach! ;-) (Glaubst du nicht? Dann lies gerne hier oder hier.)
Ad 2) Und überwachen? Hahaha! Jeder, der diese Art von „Windelfrei“ (die keine ist) probiert hat, weiß, dass das nicht funktioniert! Zum einen signalisieren „überwachte“ Babys so gut wie nicht. Zum anderen macht auch ein Baby kein Geschäft gegen seinen Willen. Auch nicht, wenn sie/er keine Lust darauf hat. Da bringt auch die Überwachung nichts.
Ad 3) Training? Fast alle Windelfrei-Eltern, die ich kenne, und auch bei unseren „Windelfrei-Treffen und mehr“ ist es immer wieder Thema, würden es genau „andersherum“ beschreiben: Die Eltern haben gelernt, die Signale ihrer Kinder zu „lesen“ und entsprechend darauf zu reagieren. Wenn, dann war es eher ein Elterntraining denn ein Babytraining. (Lies dazu auch gerne ausführlicher: Was ist Windelfrei? oder entsprechende Erfahrungsberichte.)
Für einige reichen diese Erfahrungen und die dahinterstehende „Logik“ schon aus. Andere, so wie ich auch, haben Behauptungen gerne mit Fakten untermauert. Sonst könnte es sich um Einzelfälle handeln oder ein anderer Bias (eine Wahrnehmungsverzerrung) dahinter stehen.
Deshalb hier:
Die wichtigsten Fakten und Studienergebnisse zur (frühkindlichen) Blasenkontrolle
Sarah hat in ihrer Aussage in einem Punkt völlig recht: Nur, weil ein Reiz im Gehirn verarbeitet wird, bedeutet dies noch lange nicht, dass auch entsprechend darauf reagiert werden kann. Doch lass uns gerne alle Fakten dazu ansehen:
- Eine volle Blase wird ans Gehirn weiter geleitet. Also konkret natürlich die Wahrnehmung, dass die Blase zu einem gewissen Teil gefüllt ist. Dieses sensorische Ergebnis wird dabei nicht in den Teil des Gehirns weitergeleitet, der sich um „Unbewusstes“ oder (aktiv) Unsteuerbares kümmert, wie z. B. das vegetative Nervensystem oder unser Schlaf-Wach-Rhythmus. Nein, der Reiz wird in „höheren Zentren“ verarbeitet. Das heißt, er kommt dem Kind (bzw. bereits einem Neugeborenem) zu Bewusstsein (die Art von Bewusstsein, die ein Baby je nach Alter gerade besitzt und die sich natürlich von unserem unterscheidet.). (Nevéus & Sillén, 2013; Yeung et al., 1995)
- Wichtig sind auch noch die Studien von Gladh und Kollegen (2000) sowie Yeung und Kollegen (1995), um zwei Beispiele von mehreren zu nennen. Diese Forscherteams haben mehrfach belegt, dass bereits Neugeborene ihren Schließmuskeln aktiv halten, also anspannen. Das ist natürlich noch keine Kontrolle. Aber entgegen der sonst vertretenen Meinung, dass Babys anfangs quasi dauernd „auslaufen“, ganz automatisch, sobald die Blase voll ist (wie bei einem Bade-Entchen, bei dem bei Druck das Wasser herausläuft, oder wenn einfach zu viel darin ist), ist es wichtig, zu wissen: Selbst Neugeborene müssen ihren Schließmuskel für Geschäfte aktiv entspannen.
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- Bei vielen Windelfrei-Kindern passiert in der Entwicklung nun Folgendes: Sie halten ihren Schließmuskel weiterhin meist aktiv, und entspannen sich gezielt für Geschäfte.
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- Viele (nicht alle!) vollzeitgewickelte Kinder (vor allem mit Wegwerfwindeln) durchleben eine andere Entwicklung: Sie erleben, dass auf ihre Ausscheidungssignale nicht reagiert wird, woraufhin sie sich nicht mehr bewusst um ihre Schließmuskeln kümmern. Dadurch kommt es zu häufigeren Geschäften und einem anderen Lernvorgang. Diese Kinder müssen später lernen, ihre Schließmuskeln außerhalb der Geschäfte wieder aktiv zu halten, und sich nur gezielt für Geschäfte zu entspannen. (Ohne Bewertung! Es ist einfach ein anderer Lern- und Entwicklungsvorgang.)
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- Zum Vergleich vollzeitgewickelt vs. windelfrei aufwachsende Kinder gibt es auch zwei tolle Studie von Duong und Kollegen (2013) sowie Jansson und Kollegen (2005). Im Vergleich vietnamesischer Kinder (windelfrei) mit schwedischen Kindern (vollzeitgewickelt) zeigte sich, dass die windelfreien Kinder ihre Blase durchschnittlich bereits mit 9 Monaten vollständig entleeren konnten (d. h., dass sich in der Blase kein Resturin mehr befand), bei den vollzeitgewickelten Kindern war dies mit durchschnittlich 36 Monaten (3 Jahre) der Fall.
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- Ganz wichtig: Ich will hier weder Windelfrei hochloben noch Vollzeitwickeln diffamieren. Es hat beides seine Berechtigung und beides ist in seiner Art OK! Ich gehe davon aus (Hypothese!), dass Windelfrei das biologische Zeitfenster nutzt, das zum Trockenwerden von der Natur angelegt ist. Hast du dieses Zeitfenster „verpasst“ oder dich dagegen entschieden, ist es nicht schlimm. Es bedeutet lediglich, dass Kinder, die nach 18-24 Monate trocken werden, den Prozess des Sauberwerdens auf eine andere Art und Weise lernen. Das ist so, wie wenn jemand zweisprachig aufwächst im Vergleich mit jemandem, der sich eine zweite Sprache erst später aneignet. Beides hat Vor- und Nachteile. Und es haben definitiv beide Konzepte bzw. Lebensmöglichkeiten ihre Berechtigung!
- Auch wenn Eltern immer wieder berichten, dass ihre Babys bereits mit wenigen Monaten so gut wie alle Geschäfte zuverlässig angeben, erwartet in unseren Breiten bestimmt niemand, dass ein Baby mit 3 Monaten „trocken“ ist. Es kann für einige Zeit so sein, doch klassisch gibt es mehrere Phasen. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer möglicherweise (fast) 100%-Phase in den ersten Monaten eine Phase mit weniger angesagten Geschäften erfolgt, ist sehr hoch. Klassisch ist den Kindern mit Krabbel- und Laufbeginn vermehrt daran gelegen, diese Fertigkeiten auszubauen, als rechtzeitig Bescheid zu sagen. (Klassische „Pause“, wenn das Kind in dieser Zeit gar nicht mehr abgehalten werden/aufs Töpfchen möchte. In dieser Zeit haben sich Austausch mit Gleichgesinnten oder eine professionelle Analyse eurer Situation mit konkreter Hilfestellung im Rahmen eines Familiencoachings bewährt.)
- Eine Studie zeigt, dass Babys der Digo (Bevölkerungsgruppe im Süden Kenias) bereits ab 5-6 Monaten zuverlässig „trocken“ sind (deVries & deVries, 1977). Diese Babys kümmern sich dabei natürlich nicht selbst ums Saubermachen oder ihre (wenige) Kleidung, aber sie geben ab diesem Alter ihren Bezugsperson rechtzeitig Bescheid. Dieses Alter würde ich für unsere Art von Windelfrei und in unserem Kulturkreis nicht erwarten. Uns fehlt dbzgl. z. B. auch einfach der natürliche Umgang damit. Und auch die Intuition darf sich erst wieder langsam aufbauen. Aber es zeigt, was biologisch alles möglich ist! Und ja, definitiv ohne Druck und Strafe! Denn Druck würde genau zum Gegenteil führen, zu einem längeren Trockenwerden-Prozess und auch zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von urologischen Problemen (z. B. Palmer et al., 2012; Bakker et al., 2001).
- In westlichen Kulturen gehen wir davon aus, dass Windelfrei aufwachsende Kinder durchschnittlich mit 17,5 Monaten tags und nachts „trocken“ sind, das heißt ab diesem Alter volle Blasenkontrolle erlangt haben. Durchschnittlich mit 15 Monaten haben sie volle Darmkontrolle entwickelt (Rugolotto et al., 2008).
- Die Vergleichsstudien von windelfrei aufwachsenden vs. vollzeit gewickelte Kinder geben an, dass etwa 98% der vietnamesischen Kinder mit 24 Monaten (2 Jahre) „trocken“ sind (58% bereits mit 18 Monaten). Mit 36 Monaten waren etwa 55% der schwedischen Kinder trocken (Duong et al., 2013) bzw. genauer (Jansson et al., 2005): tagsüber 79% der Mädchen und 89% der Jungen; nachts 29% der Mädchen und 56% der Jungen. (Der Geschlechtsunterschied ist allerdings nicht signifikant.)
Mit all diesen Fakten sehe ich es als hinreichend belegt an, dass (frühe) Blasenkontrolle bei Babys möglich ist.
Windelfrei aufwachsende Kinder erlangen mit hoher Wahrscheinlichkeit früher volle Kontrolle über ihre Schließmuskeln (durchschnittlich mit 18 Monaten), als klassisch gewickelte Kinder.
(Wieder: ohne Bewertung! Ein Kind kann dieses früher, ein anderes jenes. Die Eltern sind entsprechend nicht besser oder andersherum fauler/schlechter! Es geht mir hier nur um den Nachweis, dass eine frühe Blasenkontrolle möglich ist – bestätigt mit wissenschaftlichen Studien und vielen Erfahrungsberichten.)
Erklärung zu dieser Schieflage
Wie konnte diese Situation der Falsch-„Fakten“ zur Blasenkontrolle bei Babys denn überhaupt entstehen? Ist Wissenschaft nicht die einzige Instanz, die wirklich objektiv ist und deren Fakten überall anerkannt werden? Wer, wenn nicht die Wissenschaft, kann überhaupt zuverlässige Aussagen liefern?
Die Erklärung dazu ist relativ einfach auf wenige Punkte zurückführbar:
- In unseren westlichen Kulturen gibt es quasi nur mehr vollzeitgewickelte Kinder. (Fast) Alle Arten von frühem Töpfchentraining oder Windelfrei, die es vor Einführung der Wegwerfwindel gab, sind verschwunden (oder erleben erst in jüngerer Zeit eine Renaissance). Dem entsprechend werden Studien (so gut wie) nur an vollzeitgewickelten Kindern durchgeführt. Und die Ergebnisse auf alle Kinder übertragen. Das ist ein ganz klassischer Fehler und wird „selection bias“ oder „Stichprobenverzerrung“ genannt. Aber wer kann es den Wissenschaftlern (die auch nur Menschen sind ;-) ) verdenken? Wenn davon ausgegangen wird, dass nur vollzeitwickeln möglich ist bzw. das einzig Sinnvolle – wie sollte mensch da auf die Idee kommen, dass es auch etwas anderes geben könnte und die Ergebnisse bzw. einige davon durch diese falsche Grundannahme verfälscht sind!?
- In der Wissenschaft gibt es immer wieder kontrovers diskutierte Ansätze zu einem Thema, bei dem sich dann eine Richtung durchsetzt – obwohl es objektiv nichts gegen die zweite Richtung einzuwenden gibt. Die eine Richtung finden einfach mehr Forscher plausibel oder spannend. Kuhn, einer der bedeutendsten Wissenschaftsphilosophen im 20. Jahrhundert, spricht in diesem Zusammenhang von der Akzeptanz eines Paradigmas. Innerhalb dieses Paradigmas wird so lange geforscht, bis sich grundlegende Probleme ergeben, die einen Paradigmenwechsel erfordern (z. B. Bird, 2011).
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- Entsprechend gab es auch beim Töpfchentraining (allgemeines Wort für das frühe Kümmern um kindliche Geschäfte) einen Switch von der frühen Sauberkeitserziehung, die früher in Europa oft mit Druck und Strafe verknüpft war, hin zu einem „kindzentrierten“ Ansatz, bei dem gewartet wird, bis „das Kind soweit ist“ (z. B. Luxem, 1994).
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- Das Positive an diesem Umdenken ist, dass Kinder keinem Druck mehr ausgesetzt werden (sollten). Der Nebeneffekt ist, dass zum einen frühe Arten des Sauberwerdens verpöhnt wurden, und zum anderen dabei nicht berücksichtigt wurde, dass bereits Babys Bescheid geben, wenn sie mal müssen. D. h. bereits Babys sind bereit dafür!
Nachwort
Das sind einige der wichtigsten Fakten zur Blasenkontrolle bei Babys.
Du solltest nun wissen:
- dass es bereits Babys oder Kleinkindern möglich ist, ihre Blase zu kontrollieren.
- dass windelfrei aufwachsende Kinder durchschnittlich mit 18 Monaten „trocken“ werden (durchschnittlich! Darüber, dass Windelfrei nicht „funktioniert“, habe ich bereits berichtet.)
- warum die allgemeine Meinung, die auch einige Wissenschaftler vertreten, eine andere ist.
Damit hast du jetzt Wissen und Fakten, die du an andere weitergeben kannst, wenn sie deinen eigenen Erfahrungen mit deinem windelfreien Kind nicht glauben. Und Verständnis, warum andere Menschen anders darüber denken.
Bitte nutze dieses Wissen nicht dafür, um Windelfrei als die einzig wahre Art im Umgang mit einem Kind darzustellen! Nur zum Aufklären und Informieren. Es ist wirklich in Ordnung, wenn sich deine Freundin gegen Windelfrei und für eine andere Art des Sauberwerdens für ihr Kind entscheidet. Sie hat andere Lebensverhältnisse, Erwartungen und Werte.
Wenn du mit einem „professionellen“ Menschen in Kontakt stehst (z. B. Arzt, Hebamme, Erzieher, Tagesmutter), dem du gerne ein paar wissenschaftliche Informationen zur Blasenkontrolle bei Babys (oder allgemeiner) zukommen lassen möchtest, dann schreib mich gerne an. Da ich bereits viele Studien für die Hebammen-Ausbildung an der Fachhochschule Puch/Urstein und die Hebammen-Fortbildung in NRW ausgearbeitet habe, teile ich diese auch sehr gerne mit anderen Professionen. So wird Windelfrei bekannter und erhält mehr Akzeptanz. Und das ist ein sehr wichtiger Schritt für uns alle!
Schreib mir gerne: Hat dir dieser Artikel geholfen? Kannst du diese Informationen gebrauchen? Worüber wünschst du dir noch mehr ausführliche und wissenschaftlich fundierte Informationen?
* Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der es um die Beantwortung grundlegender Fragen zu Windelfrei geht. Viele Eltern stellen sich genau die gleichen Fragen, wenn sie das erste Mal von Windelfrei hören. Deshalb nutze ich hier die Gelegenheit, die Fragen von Sarah exemplarisch für viele Eltern zu beantworten.
Quellen:
Bakker E, van Gool J & Wyndaele J-J (2001). Results of a Questionnaire Evaluating Different Aspects of Personal and Familial Situation, and the Methods of Potty-training in Two Groups of Children with a Different Outcome of Bladder Control. Scand J Urol Nephrol 35: 370–376.
Bird A (2011). Thomas Kuhn. Stanford Encyclopedia of Philosophy. Version 11.08.2011.
deVries, M. W. & deVries, M. R. (1977). Cultural relativity of toilet training readiness: a perspective from East Africa. Pediatrics, 60 (2), 170-177.
Duong TH, Jansson U-B, Holmdahl G, Sillén U & Hellström A-L (2013). Urinary bladder control during the first 3 years of life in healthy children in Vietnam e A comparison study with Swedish children. Journal of Pediatric Urology, 9, 700-706.
Gladh G, Persson D, Mattsson S, Lindström S (2000). Voiding pattern in healthy newborns. Neurourol. Urodynam. 19:177-184.
Jansson U-B, Hanson M, Sillén U, Hellström A-L (2005). Voiding Pattern and Acquisition of Blader Control from Birth to Age 6 Years – A Longitudinal Study. Journal of Urology, 174, 289–293.
Luxem M. (1994). Behavioral toilet training in early childhood: research, practice, and implications. J Dev Behav Pediatr; 15(5):370-8.
Nevéus T, Sillén U (2013). Lower urinary tract function in childhood; normal development and common functional disturbances. Acta Physiol (Oxf); 207(1):85-92.
Palmer MH, Athanasopoulos A, Lee K-S, Takeda M, Wyndaele J-J (2012). Sociocultural and environmental influences on bladder health. Int J Clin Pract, 66, 12, 1132–1138.
Rugolotto S, Sun M, Boucke L, Calò DG, Tatò L (2008). Toilet training startet during the first year of life: a report on elimination signals, stool toileting refusal and completion age. Minverva Pediatrica, 60, 27-35.
Yeung, C. K., Godley, M. L., Ho, C. K., Ransley, P. G., Duffy, P. G., Chen, C. N. & Li, A. K. (1995). Some new insights into bladder function in infancy. British journal of urology, 76 (2), 235-240.
Danke für diesen Artikel, find den super!
Unser Baby ist seit Geburt windelfrei und ich bekomme immer noch (sie ist fast 8 Monate) ständig zu hören, dass Babies sowieso nicht kontrollieren können, dass sie müssen und/oder dass ich mein Baby zwinge, aufs Klo zu gehen. Das sind noch die netten Sachen. Ich werde den Link jetzt mal einigen Bekannten schicken ;)
Daneben gibt es aber auch ganz tolle Reaktionen, z.B. Oma und Opa, die zu aktiven windelfrei-Vertretern wurden. Mein Papa empfiehlt es jetzt schon seinen jungen, schwangeren Kolleginnen ;)
Liebe Grüße, Anne
Danke Anne! Ich freue mich über deine Nachricht und deine gefallenden Worte! <3
Da kann jemand etwas Aufklärung wirklich gut gebrauchen ;-) Leider ist genau das ja der Hauptpunkt, warum sich viele Eltern gegen Windelfrei entscheiden: Sie denken, sie wären umfassend informiert – sind es aber nicht. Und wenn ich davon überzeugt bin, alles zu wissen – dann suche ich keine andere Sichtweise und bin auch nicht offen. Schließlich WEISS ich doch, was gut ist! … Zumindest auf dieser Ebene gut nachvollziehbar, warum einige Menschen sehr resistent sind.
Mit denen Eltern klingt wundervoll!!! Da hast du mit Baby gute Arbeit geleistet! ;-) <3
Yeah, Windelfrei rockt! Wie schön, dass du mit deinem Blog auch auf dieses und noch viele andere (nachhaltige) Themen aufmerksam machst!
Herzliche Grüße! Lucia
Wirklich super und differenziert zusammen gefasst. Dadurch, dass ich selbst sowieso meine Eltern etc. Windelfrei erzogen wurde, war mir der Mythos mit der späten blasenkontrolle tatsächlich nicht bekannt
Danke für den gründlich recherchierten Inhalt!
Daniela
Danke Daniela, freut mich! :-D
Wie schön, dass ihr eine ganze Windelfrei-Generationslinie seid! Da ist das Wissen darüber und die Intuition bestimmt gut ausgeprägt!?
Herzliche Grüße! Lucia
Hallo,
der Artikel ist zwar informativ, dennoch bin ich kein Freund von windelfrei.
Unsere Tochter ist 4 Monate alt.
Freunde, deren Sohn, 1,5 Jahre alt ist, erziehen ihn windelfrei und sie versucht mir immer wieder, erfolglos, diese Methode schmackhaft zu machen.
Wenn ich den Umgang der Eltern mit dem Kind zum Thema windelfrei sehe, dann frage ich mich, welcher positive Nutzen hier zu sehen ist und für wen.
Nützt es der Entwicklung des Kindes hin zu einem idealerweise (psychisch) stabilen und selbstbewussten Erwachsenen?
Oder nützt es dem Prestige der Eltern, damit diese sagen können: „Wir erziehen windelfrei, das ist so toll, unser Kind kann sich schon mit 15 Monaten melden, dass er mal muss.“
Das ist ja schön. Aber zu welchem Preis?
Dass schon Babies die Ausscheidung spüren steht für mich außer Frage.
Ebenso steht die körperliche Entwicklung hin zur Blasenkontrolle außer Frage. Die Fähigkeit, den Harn- und Stuhldrang zu kontrollieren, wird erst beim Kleinkind im Rückenmark (vollständig) ausgebildet.
Wenn ein Kind also windelfrei möglichst schnell „trocken“ werden soll, dann läuft es nur über das Elterntraining, wie es im Artikel heißt.
Unser befreundetes Elternpaar mit dem 1,5 jährigen Sohn trainiert in der Art, dass der Junge nach dem Essen und Trinken, nach dem Schlafen und zu bestimmten Uhrzeiten aufs Töpfchen gesetzt, an den Busch gestellt oder zur Toilette gebracht wird.
Das finde ich erschreckend.
Denn hier wird das Kind aus dem, was es gerade tut, spielen, nach dem Stillen etwas dösen etc herausgerissen, weil es jetzt zum Töpfchen „muss.“
Auf mich wirkt das ganze Prozedere zwanghaft und extrem kontrollierend seitens der Eltern. Die Augen der Eltern sind wie Adleraugen auf das Kind gerichtet, um bloß jedes mögliche Signal mitzubekommen, das auf Urin- oder Kotdrang hindeutet, um dem Kind dann (aus windelfreier Sicht glücklicherweise) rechtzeitig die Hosen runterzuziehen, um einen weiteren Schritt in Richtung „trocken“ sein gehen zu können.
Ich sehe hier ein ganz großes Potential, dass Eltern sich in kontrollierendes Verhalten verlieren. Das Kind wächst mit einem „du musst“ auf. Du musst dich melden, wenn du Pippi oder Kacki machen musst. Und wenn dem so ist, dann musst du die Hosen schnell runterlassen.
Bei besagtem Sohn wurde dies sogar bei einer Gartenparty mit 30 Gästen so gehandhabt. Das Kind wurde vor allen Leuten an den Busch gestellt, weil der Gang zur Toilette zeitlich nicht möglich war.
Aber wie auch?
Mit 14 Monaten kann der Junge spüren, dass er Pippi muss, aber er ist von seiner natürlichen Entwicklung her nicht in der Lage, aufzuhalten, so dass er rechtzeitig auf die Toilette kommt.
Diese Handhabung in der Praxis hinterlässt einen äußerst schalen Beigeschmack. Nämlich, dass das windelfrei erzogene Kind eben durch dieses kontrollierende Verhalten seiner Eltern möglicherweise in seiner psychischen Entwicklung beeinträchtigt wird. Im Sinne von, das Kind wird aus dem, was es tut herausgerissen, um etwas zu tun, was andere, nämlich die Eltern, wollen. Ein Vogel wird erst aus dem Nest geschubst, wenn klar ist, dass es fliegen kann.
Wozu wird einem Kind beigebracht, dass es nicht in die Hose kacken soll, wenn es doch gar nicht anders kann, weil die hierfür notwendige Verbindung der Nervenbahnen noch nicht fertig ist?
Die ganzen „Misserfolge“, wenn es nicht schnell genug zur Toilette kam, dürften in einem Kind alles andere als Selbstvertrauen aufbauen.
Für mich jedenfalls kristallisiert sich der Weg entlang der natürlichen Entwicklung des Kindes als Königsweg. Wenn such zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr die Blasenkontrolle entwickelt, dann ist der Zeitpunkt, um unser Kind „trocken“ zu machen. Und nicht, wenn es gerade mal sitzen kann.
Mir ist wichtig, dass mein Kind ganz „normal“ sein darf. Ich muss meinen eigenen Selbstwert nicht durch die Leistungen meines Kindes pushen.
Und letztlich ist es ja so, dass sie alle irgendwann „trocken“ werden.
Und ob das nun mit 18 Monaten, 22 Monaten oder 20 Monaten ist, ist doch eigentlich völlig wurscht.
Hallo Hannah!
Danke für deinen kritischen Kommentar, dass du dir die Zeit zum Schreiben deiner Sichtweise genommen hast! Und weißt du was? Ich sehe vieles davon ähnlich wie du!
Das Alter, wann ein Kind „trocken“ ist, darf/sollte/ist völlig egal!
Den eigenen Selbstwert über das Kind zu pushen bringt leider insgesamt ganz viele Probleme mit sich.
Das Kind immer wieder aus Spiel- und Beschäftigungssituationen herauszureißen ist definitiv auch kontraproduktiv.
Woher weißt du, dass die Fähigkeit, die Geschäfte zu kontrollieren, erst im Kleinkindalter ausgeprägt wird? Wenn du es fundiert behauptest, hast du mind. 1 Studie dazu gelesen. Davon gehe ich jetzt einfach mal aus. Die Sache ist nur die: Zur Blasenkontrolle gibt es selbstverständlich etliche Studien, und sie kommen in etwa alle zum selben Ergebnis. Allerdings wurden sie alle an vollzeitgewickelten Kindern durchgeführt. Es wurde ein klassischer Fehler begangen, indem eine Sache unter ganz bestimmten Bedingungen beobachtet wurde – und dann davon ausgegangen wird, dass das immer so sein muss.
Doch es gibt auch ganz konkrete Studien zu „Windelfrei“ oder „frühem Töpfchentraining“. Und – man glaubt es kaum ;-) – diese kommen zu anderen Ergebnissen. Deine Aussage trifft schon zu, aber nur auf vollzeitgewickelte Kinder. Für windelfrei aufwachsende Kinder ist, je nach Herangehensweise beim „Abhalten“, Kultur etc., es schon früher Möglich, die Geschäfte auch selbst zu kontrollieren (die Studien dazu finden sich in einiger meiner Artikel, du findest diese unter dem Tag „Wissenschaft“)
Und ich weiß natürlich nicht, wie genau deine befreundete Familie „windelfrei“ praktiziert. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir von außen manchmal etwas anders wahrnehmen. Viele Windelfrei-Eltern erkennen zB bereits kleinste Anzeichen für ein anstehendes Geschäft und können reagieren. Die Eltern wissen ggf. umgekehrt, dass wenn sie nicht reagieren, die Reaktion des Kindes umso schwerwiegender ausfällt. … wir können nicht hineinsehen. Wenn du allerdings davon sprichst, dass die Eltern das Kind „kontrollieren“, dann gefällt es mir auch nicht sonderlich. Kontrolle führt in vielen Fällen zu Schwierigkeiten, und auch besonders bei „Windelfrei“. Denn wenn sich Kinder, auch schon Babys oder Kleinkinder, kontrolliert fühlen, machen sie beim „abhalten“ oft gar nicht mehr mit. Sie weigern sich schlichtweg. Übrigens weigern sich gerade ältere vollzeitgewickelte Kinder auch sehr häufig beim Windelwechseln. Daher ist es meiner Meinung nach vor allem eine Frage der Haltung. Wie möchte ich dem Kind begegnen? Was traue ich ihm zu? Kann ich mich auf mein Kind einlassen oder gehe ich von Fachmeinungen anderer aus?
Windelfrei ist nichts für alle Familien. Doch ich würde mich sehr freuen, wenn wir nicht so häufig gegeneinander sind, sondern uns viel mehr bei unseren Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen unterstützen. Wir Mütter brauchen uns! Wer, wenn nicht eine andere Mutter in der gleichen Situation, versteht, wie es uns geht, wie anstrengend der Mutter-Job sein kann, was uns nach durchwachten Nächten wieder zu Kräften kommen lässt?
Sei herzlich gegrüßt!
Lucia
Hallo und danke für diesen Artikel! Genau diese Informationen habe ich gesucht, um auch selber mich über wissenschaftliche Studien mit dem Thema Ausscheidungen von Babys auseinanderzusetzen. Wir kennen sowohl Eltern, die ihre Kinder von Anfang an abhalten, also auch solche (die Mehrheit), die ausschließlich Windeln nutzen. Für uns ist der Weg mit dem Abhalten logisch und ganz natürlich und ich finde es so wünschenswert, wenn das Abhalten wieder normal wird in unserer Gesellschaft.